Podcasts sind bei mir persönlich der wohl wichtigste Grund, warum ich so gut wie kein Fernsehen mehr schaue. 2016 war ich mit meinem radikalen Medienwandel in Deutschland wohl noch ein Exot. Mittlerweile kommt das Audio-Medium aber immer mehr in der breiten Masse an.
Was sind die Gründe für den Boom der Podcast?
- Möglichkeit des „Nebenbei-Konsums“ von Audio-Inhalten
- Immer bessere Benutzerfreundlichkeit auf mobilen Geräten
- Weitgehend kostenlos abrufbar
- Thematische Vielfalt an Formaten und Themen nimmt rapide zu
Doch springen wir doch einmal direkt rein in den Podcast-Markt. Die nachfolgende Auswahl ist wohlgemerkt sehr persönlich und basiert nicht zwingend auf iTunes-Platzierungen oder dergleichen. Vielmehr möchte ich einmal den Blick weiten, was alles möglich ist in der bunten Podcast-Szene.
1. Schwere Kost – leicht und bekömmlich: Versicherungsgeflüster-Podcast
Für dich sind Versicherungsverträge auch ein Graus? Das ging mir auch lange Zeit so. Bis ich Patrick Hamacher vom Versicherungsgeflüster Podcast kennenlernte. Mit seinem Kompagnon Bastian Kunkel bildet er seit 2018 ein unterhaltsames Gespann für ihr neu geschaffenes Audio-Projekt.
Die beiden sind selbst Versicherungsmakler, dennoch nehmen sie kein Blatt vor den Mund und nehmen ihre eigene Branche gerne mal etwas auf die Schippe. Es geht den beiden nämlich nicht darum irgendwelche Tarife oder Verträge anzupreisen. Vielmehr werden in einem sehr angenehmen Ton einsteigerfreundlich allerlei Versicherungsthemen durchgesprochen.
Darüber hinaus kommt immer wieder Abwechslung in den Podcast durch wechselnde Formate, wie Quizze oder Interviews mit Akteuren aus der Branche und generell den lustigen Schlagabtausch der beiden Moderatoren untereinander. Auch wenn ich anfangs noch skeptisch war, dauerte es nicht einmal eine Folge bis ich anders dachte. Durch kuriose Vergleiche und Aufhänger, wie „Flaschensammeln für die Altersvorsorge“ oder „die Bartversicherung für den Mann“ schaffen es die beiden immer wieder die Aufmerksamkeit beim Publikum einzufangen.
Siehe da auf einmal ist die Hürde sich regelmäßig mit dem Thema Versicherungen auseinander zu setzen gar nicht mehr so groß. Der Podcast Versicherungsgeflüster zeigt par excellence, wie ein scheinbar „trockenes Thema“ einfach und sogar unterhaltsam runtergebrochen werden kann.
Die Fakten zum Versicherungsgeflüster-Podcast einen Blick:
- Erscheinungshäufigkeit: 1x wöchentlich
- Formate: klassische Folge (im Duo beider Moderatoren), Branchen-News, Quizzes, Interviews (mit externen Gast)
- Länge: 15 Minuten bis 1 Stunde
2. Umfangreich und sachlich: Rasenfunk Schlusskonferenz
Überlänge gewünscht? Ja, Podcast kann ganz schön lang sein und die Community liebt es. Der Rasenfunk stellt dieses Phänomen Woche für Woche zu Beweis. Und das in einem Thema, welches eigentlich nur des Deutschen „liebste Nebensache“ ist. Es geht nämlich um Fußball, genauer gesagt die Spieltage der Fußball-Bundesliga, welche im Rasenfunk in epischer Länge (3-4 Std. sind keine Seltenheit) besprochen werden.
Doch warum funktioniert das Format? So gut, dass Moderator Max-Jacob Ost seine Leidenschaft zum Beruf machen konnte? Ganz einfach er hat eine Nische getroffen, die es so in Deutschland für den Fußball-Bereich nicht gab (zumindest im Audio-Markt). Viele Fußballfans sind müde von überdramatisierten TV-Formaten und einfach nur noch genervt von den immer gleich Stammtischparolen à la Mario Basler.
Im Rasenfunk geht es hingegen um die Sache, um den Sport, um Taktik sowie obendrein manchmal auch, um die wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen am Rande. In jeder Folge nach dem Wochenden der Fußball-Bundesliga kommen hierbei verschiedenste Gäste zu Worte, die sich mit dem Fußball als Journalist, als Podcaster, als Blogger oder Vertreter im Vereinsumfeld näher beschäftigen. Erfrischenderweise kommen hierbei auch viele fachkundige Frauen zu Worte.
Durch den unermüdlichen Einsatz von Max-Jacob Ost, welcher tatsächlich JEDEN Spieltag alle Spiele in voller Länge schaut und in jeder Spielbesprechung der Sendung jede Flanken-Statistik schon in zweifacher Ausführung parat hat, hat sich eine enorme Podcast-Community gebildet. Der Rasenfunk zeigt für mich, wie sich eine Leidenschaft mit viel Liebe und Idealismus für die Sache zum Beruf machen lässt.
Community-getragene Podcasts sind zwar noch eine Seltenheit in Deutschland, aber schon jetzt eine Oase des unabhängigen Journalismus, von dem es gerne mehr geben darf.
Die Fakten zum Rasenfunk einen Blick:
- Erscheinungshäufigkeit: 1x wöchentlich zum Anfang der Woche (+ Sonderformate)
- Formate: Schlusskonferenz (klassische Spieltagsbesprechung mit 2 Gästen) sowie Sonderformate: 1) Kurzpass (ein aktuelles Thema aus dem Fußball mit einem Experten im Brennpunkt) und 2) Tribünengespräch (ausführliche Interviews mit Protagonisten aus dem Profifußball oder Journalisten)
- Länge: 1 bis 4 Stunden
3. Live- und Audio kombinieren: Onkel Schmunzel
Felix Thönnessen hat ein Format geschaffen, was schon viele versuchten und nicht so recht hinbekamen. In der Onkel Schmunzel Show geht er jeden Mittwoch live (Facebook, Instagram, LinkedIn etc.) und erzählt einen Schwenk aus dem Leben. Die vertonte Aufnahme wird nachfolgend als Podcast veröffentlicht und lässt sich ebenso gut konsumieren. Und das ist eben die große Kunst, was im Live-Video noch Sinn ergibt aus Mimik und Gestik, kann im reinen Audio schnell etwas wirr daher kommen. Durch seine anekdotenhaften Erklärungen steht jedoch auch das gesprochene Wort im Podcast für sich.
In positiver Plauderlaune geht es in der „Onkel Schmunzel Show“ dabei meist um lustige Anekdoten aus Marketing, Business oder manchmal auch lustigen Situationen des Alttags. Kurz gesagt Infotainment, wie man es schon aus seinen Keynotes kennt. Zugegebenermaßen kommen manche seiner Lieblingsgeschichten (Stichwort „Nuttella“, Stichwort „Tinder“) immer mal wieder zum Vorschein, doch irgendwie schafft er es immer einen anderen Spinn in die neuerlichen Geschichte zu packen.
Durch das interaktive Live-Format gelingt es in einen spielerischen Austausch mit den den Usern zu gehen. So werden immer mal wieder einzelne Meinungen aus den Chats rausgegriffen und von Felix Thönnessen in gewohnt unterhaltsamer Manier kommentiert. Das Format lebt von der Spontanität und dem lockerem Charakter. Die 30-Minuten als zeitlicher Standardrahmen kommen dabei gut hin.
Die Fakten zur Onkel Schmunzel Show auf einen Blick:
- Erscheinungshäufigkeit: 1x wöchentlich am Mittwoch
- Formate: Solo-Folgen, Live via verschiedener Social Media
- Länge: ca. 30 Minuten
4. Tipps von Experten für Experten: OMT-Podcast
Im OMT-Podcast mit Mario Jung dreht sich alles um Online Marketing und insbesondere allerlei SEO-Themen. Die Folgen orientieren sich am Anspruch stets „Hands-on“ bei der Sache zu sein, wie er immer so schön sagt. Der Podcast legt demnach sehr viel Wert darauf in die Themen durchaus tief einzutauchen. Die eingeladenen Experten sind in ihrem Gebiet absolute Könner und plaudern gerne einige Insides aus dem Marketing-Alltag aus.
Mario Jung versteht es dabei gut sein eigenes Hintergrundwissen in der Rolle als Moderator auch einmal beiseite zu schieben, um ganz unbefangene Anfänger-Fragen zu stellen. Einzigartig sind mittlerweile auch seine lustigen, teils provokanten Einstiegsfragen, durch welche der Zuhörer direkt in das Thema reingezogen wird.
Alles in allem bleibt es bei einstündiger Podcastlänge immer sehr kurzweilig und informativ. Der OMT Podcast zeigt einmal mehr, dass auch komplexere Themen durchaus im Audio-Format besprochen werden können. Durch Fachpodcasts dieser Art wird spezifische Weiterbildung möglich gemacht und gleichzeitig können Experten ihr Know-How präsentieren, um ihrerseits wieder neue Reichweite zu bekommen.
Die Fakten zum OMT Podcast auf einen Blick:
- Erscheinungshäufigkeit: 1x wöchentlich am Montag
- Formate: Interview (mit einem Experten), Diskussionsrunde (mit 2-3 Experten in einem Thema)
- Länge: ca. 60 Minuten
5. Storytelling: Business Wars
Zum Abschluss dann doch noch einmal eine Empfehlung aus dem amerikanischen Raum. Das Podcast-Network von Wondery ist 2016, mit Filmstudio-Hintergrund von Disney, ins Leben gerufen worden und das zeigen die Podcast-Formate. Bei Wondery werden aus Audio „wahre Hörfilme“ mit Effekten, verschiedenen Handlungssträngen und Spannungsverläufen, wie sie aus Hollywood bekannt sind.
Mein absoluter Liebling von Wondery ist das Format Business Wars oder im deutschen Kampf der Unternehmen. Dieser Podcast zeigt, wie Geschichten mit dramaturgischen Audio-Sequenzen erzählt werden können. Unter großem Aufwand und mit viel Liebe für die Details sind fast alle Staffeln ein Feuerwerk für die Ohren.
Die Plots aus dem realen Unternehmensleben geben hierbei natürlich auch einiges her: Sei es Pepsi vs. Coca Cola, Facebook vs. Snapchat, Adidas vs. Nike oder Starbucks vs. Dunkin´ Donuts uvm. Kurz gesagt wird der Konkurrenzkampf verschiedener Unternehmen anekdotenhaft, dramatisch und dennoch realitätsnah wiedergegeben.
Für Zuhörende ist es möglich von der Realität abzuschalten und sich in die Welt der historischen Geschichten hineinzuversetzen. Vor allem durch die Erzählweisen, die zwischen einem neutralen Erzähler und szenischen Dialogen wechseln, gelingt es ein sehr lebendiges Geschehen abzubilden. So werden die wichtigsten Situationen mit nachgestellten Dialogen veranschaulicht, bevor dann wieder der neutrale Erzähle übernimmt und den Rahmen setzt.
Für meinen Geschmack definitiv eine gute Audio-Alternative für manche Netflix-Serie. Sowie ein Paradebeispiel für deutsche Medienunternehmen, wie gute Hörgeschichten funktionieren könnten.
Die Fakten zu Business Wars Podcast auf einen Blick:
- Erscheinungshäufigkeit: 1x wöchentlich gegliedert nach Staffeln
- Formate: Serien-Format (5-6 Episoden je Staffel)
- Länge: 20-30 Minuten
Das Medium der Zukunft?
Viele Wege führen zum Ziel in der Podcast-Landschaft. Es kommt ganz auf das Thema und die Zielgruppe an. Der Markt ist in jedem Fall bereit für die unterschiedlichsten Ansätze, wenn sie denn gut umgesetzt werden.
Content Marketing via Podcast kann sehr tiefgründig in berufliche Fachthemen reingehen, lockerer Business-Talk sein oder aber klar in die Freizeit-Richtung schwenken, um hier verschiedenste Geschmäcker zu erfüllen. Zudem können auch „kleine Anbieter“ ohne große Hürden starke Hörerschaften aufbauen und nicht nur die großen Medienhäuser oder Influencer, was für den Meinungsdiskurs und das breite Angebot nur positiv sein kann.
In dem Sinne – auf eine hörenswerte Zukunft!
Titelfoto: By Austin Distel on Unsplash